Warum gehen Menschen heute noch ins Büro? Für Paul Keursten ist die Antwort klar: „Ins Büro geht man nicht, um allein zu arbeiten – das kann man auch zu Hause. Man geht, um Teil von etwas zu sein.“ Mit dieser Überzeugung hat der Gründer von Workshop17 in Südafrika und auf Mauritius eine Coworking-Kultur geschaffen, die soziale Interaktion, Lebensqualität und professionelle Arbeit miteinander verbindet – ein Modell, das in Deutschland bislang selten gelingt.

Orte der Begegnung statt bloßer Büroflächen
Workshop17 versteht Arbeitsräume nicht nur als Orte der Produktivität, sondern als soziale Landschaften. Begegnungen entstehen dort, wo Architektur sie zulässt: durch offene Grundrisse, zentral platzierte Kaffeebars, bewusst gestaltete Wegeführung. „Begegnungen entstehen oft zufällig – genau das ist unsere Chance“, sagt Keursten. Coworking wird hier nicht als Zweckraum gedacht, sondern als lebendiger Ort, der Gemeinschaft stiftet. Es geht um Atmosphäre, Aufenthaltsqualität und inspirierendes Design – Coworking in Style eben. Verbunden mit einem sozialen, kulturellen und kreativen Mehrwert.

Arbeiten, wo andere surfen
Das zeigt sich besonders eindrücklich am Beispiel von Muizenberg, einem Surferort nahe Kapstadt. Dort entsteht bis 2026 ein Standort von Workshop17 direkt am Meer – mit Surfduschen, entspanntem Design und volllem Service. „Es ist ein Ort, an dem man morgens surft und danach mit Kunden weltweit spricht – professionell, aber relaxed.“ Die Verbindung von Arbeit und Freizeit ist dort kein Widerspruch, sondern Strategie.
Ähnliche Ansätze gibt es tatsächlich auch in deutschen Destinationen: Coworking in naturnahen oder touristischen Orten. Doch viele dieser meist staatlich geförderten Projekte wirken isoliert, schwer zugänglich oder wenig belebt. Die Integration in den lokalen Kontext gelingt hier nicht, das Community-Gefühl fehlt. Räume bleiben oft leer, weil sie mehr Showcase als echter Arbeitsort sind.

Hotels als Partner, nicht nur Gastgeber
Ein weiterer Erfolgsfaktor: die enge Zusammenarbeit mit der Hotellerie. In Johannesburg betreibt Workshop17 einen Standort direkt im Hyde Hotel – gleichzeitig Business-Lounge für Gäste und Coworking-Space für die lokale Community. „Die Kombination aus Tourismus und lokaler Geschäftswelt ist unser Erfolgsrezept“, sagt Keursten.
Und auch hier: Solche Modelle sind im deutschsprachigen Raum bislang die Ausnahme. Zwar wächst der Coworking-Sektor insgesamt, doch das Wachstum konzentriert sich fast ausschließlich auf urbane Räume. In ländlichen oder touristischen Regionen ist die Auslastung spürbar geringer. Die Verbindung zwischen Gastgewerbe und Coworking wird selten systematisch gedacht – dabei zeigen erste Versuche: Genau hier könnte ungenutztes Potenzial liegen, etwa für Geschäftsreisende, Remote-Teams oder Langzeitgäste.

Netzwerk statt Einzelstandort
Workshop17 betreibt 15 Standorte, die Mitglieder flexibel nutzen können – ideal für digitale Nomaden oder mobile Teams. Über die Partnerschaft mit KOFISI können die Mitglieder insgesamt 25 Locations in 7 afrikanischen Ländern nutzen. Es gibt ein klares Verständnis von Coworking als vernetztes System, nicht als isolierte Insel. Man möchte Orte schaffen, die mobil arbeitende Menschen überregional binden oder verbinden.
Fazit: Ein Modell für Deutschland?
Paul Keurstens Philosophie lautet: „Arbeit soll sich nicht an einem festen Ort abspielen, sondern dort, wo Menschen leben, sich entwickeln und wohlfühlen.“ Was in Südafrika gelingt, ist auch in Europa denkbar – wenn es gelingt, über Infrastruktur hinauszudenken. Coworking ist nicht nur ein Raum, sondern ein Lebensgefühl. Wer diesen Vibe stiften will, muss mehr bieten als Tische und WLAN: nämlich Identifikation, Gastfreundschaft und echten kulturellen Anschluss.
Vielleicht lohnt sich ein genauerer Blick nach Afrika. Was können wir von einem Modell wie Workshop17 lernen, das ohne staatliche Förderung auskommt und sich trotzdem erfolgreich am Markt behauptet? Ist das auch bei uns möglich – mit echten NutzerInnen, tragfähigen Konzepten und echter wirtschaftlicher Nachhaltigkeit? Und was braucht es dafür wirklich – mehr Infrastruktur? Oder mehr Mut, Coworking neu zu denken?






